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Never Surrender Fest III: Columbia Theater Berlin bietet rechten Bands eine Bühne

Nachdem die dritte Ausgabe des durch die Labels Nuclear War Now! Productions und Iron Bonhead Productions organisierten Never Surrender Fest seit 2020 mehrmals verschoben werden musste, findet dieses nun vom 07. – 09.12.2023 im Columbia Theater Berlin statt. Neben den in unseren Augen problematischen politischen Einstellungen der Veranstalter und deren genereller Verstrickung mit rechten Bands, finden sich, ebenso wie bei den bisherigen zwei Ausgaben des Festivals, die in Oakland, Kalifornien stattfanden, wieder rechte Bands im Lineup.

Das komplette Lineup liest sich 2023 wie folgt:

Death Worship
Revenge
Varathron
Blood
Bloodsoaked Necrovoid
Bloody Vengeance
Drawn And Quartered
Grabunhold
Grave Upheaval
Hagzissa
Hellwitch
Imperator
Imprecation
Malakhim
Masacre
Morbosidad
Mortuary
Naked Whipper
Rope Sect
Ross Bay Cult
Runespell (Absage am 21.11.2023)
Serpent Spawn
Stargazer
Venefixion
Volahn
Weregoat
Baxaxaxa (Ersatz für Runespell, am Gesang Patrick „Traumatic“ Kremer von Iron Bonehead Productions)

Unter den angekündigten Acts finden sich diverse Bands, die als problematisch zu bewerten sind. Zwar handelt es sich nicht um Bands, die dem harten Kern der NSBM-Szene zuzuordnen sind, eine Bühne sollte ihnen in unseren Augen auf Grund der Verstrickungen der Mitglieder und/oder der in den Texten getätigten Aussagen dennoch nicht gegeben werden. Dies ist auch einer Einzelperson aufgefallen, die diese Information Ende Oktober an das Columbia Theater weiterleitete. Den daraus resultierenden Mailverkehr veröffentlichen wir an dieser Stelle, abseits von direkten Kontaktdaten und Namen dieser Einzelperson, ungekürzt.

Liebes C-Theater-Team,

 

ich schreibe euch bezüglich des Never Surrender Festivals, das im Dezember bei euch stattfindet. Ich finde es sehr besorgniserregend und unverständlich, dass ein Festival mit so deutlich rechten Tendenzen in einer großen Berliner Mainstream-Location wie der euren stattfinden kann.

 

Hier nur ein paar der Gründe:

 

+ Die Labels Iron Bonehead & Nuclear War Now, die hier als Veranstalter agieren, sind bekannt dafür, dass sie Nazi-Bands unter Vertrag haben und vertreiben. Ich gehe davon aus, dass euch zumindest dieser Artikel in den vergangenen Wochen und Monaten schon mehrmals zugespielt wurde, aber hier noch einmal: https://nsbmboneheads.wordpress.com/

 

+ Die Person hinter Runespell hatte das Nebenprojekt Blood Stronghold mit Lyrics wie zum Beispiel diesen aus dem Song The Honoured Liege:

“Bloodline wields the purpose
to guard the next rungs of existence
Burn the stone of imprisonment
shatter the mirrors of false reflection
14 stars illuminate the true heritage
Sons of Arya, we must secure our existence”

Diese Person hat auch jahrelang in der NSBM-Band Eternum gespielt und mit Runespell den Song Heaven In Blood der deutschen NSBM-Band Absurd gecovert.

 

+ Death Worship (auch Mitglied bei Blasphemy) hat den Song Holocaust Altar:

“Higher man transcends into awakening
A savage cull awaits the feeble weak
Death camp becomes temple
Execution rites
Genocidal ritual
Extermination mass”

 

+ Hinter Volahn verbirgt sich ein mexikanischer Nationalist mit zahlreichen Nazi-Verbindungen (siehe auch sein Vorgängerprojekt Blue Hummingbird On The Left).

 

+ Revenge sind in den vergangenen Jahren mehrmals mit rassistischen Äußerungen aufgefallen, Bloody Vengeance haben Songs wie Hitlersäge und Genocidal Cleansing. Die Liste ließe sich lange weiterführen.

 

Viele Grüße

[Name]

Die Antwort, die sie daraufhin erhielt, war jedoch, gelinde gesagt, ernüchternd:

Hallo [Name]

wir haben bereits alles in Kleinstarbeit über Jahrzehnte recherchiert sowie über das Apabiz prüfen lassen, vom Veranstalter, über Labels und Musiker.

Dies ist in diesem Hintergund [sic] immer sehr wichtig und wir stellen uns der Herausforderung. Das Apabiz hat nach finaler Besprechung mit eingehender Prüfung alles für im jetzigen Kontakt als unbedenklich eingestuft.
Wir hatten und halten intensiv Rücksprache mit dem Veranstalter sowie gemeinsam im Zuge einiger Prüfungen mit dem Apabiz.
Dies wird immer von unabhängigen Gremien geprüft.

Prinzipiell ist zu sagen: „Internationaler und friedlicher findet vermutlich kaum ein anderes Metal Festival, ob in den USA oder hier in Berlin, statt. Alle Beteiligten des Festival in Berlin distanzieren sich von jeglichem rechtsoffenen und rechtsorientierten Gedankengut.“

Im Mai hatten wir lediglich eine Hintergrundfrage zu einem Festival in den USA mit Verstrickungen zu Labels / Bands:
Stellungsnahme [sic] des Veranstalters und mit einhergehender Recherche:
Das seit 2009 stattfindende Festival wird jeher mit international Bands und Fans gefeiert. Zu keinem Zeitpunkt gab es Vorkommnisse, welche einem rechtsextremen Gedankengut oder Handeln Boden geboten hätte. Die internationalen Veranstalter haben jeher darauf geachtet, daß ihre Bands uns Fans aus allen Ländern dieser Welt dies friedlich zelebrieren können.
Und so trug es sich auch in Oakland/USA zu. Nach Kontrolle des örtlichen Bürgermeisters und der Polizei, konnte erneut das Festival ohne Probleme und Vorkommnisse abgehalten werden.
Der Labelname „Iron Bonehead“ übersetzt sich „Eiserner Knochenkopf“ und setzt sich aus „Iron“ für „Heavy Metal als Musikrichtung“ und „Bonehead“ für den „Tod als textliches Konzept im Heavy Metal“ zusammen.

 

Mit freundlichen Grüßen

[Name]

 

COLUMBIA THEATER

Zusammengefasst antwortete die Geschäftsführung des Columbia Theaters, man habe als Veranstaltungsort im Vorfeld schon alles Mögliche gemacht, um zu verhindern, dass rechten Bands eine Bühne geboten werde: In „jahrzehntelanger Kleinstarbeit“ bezüglich auftretender Bands recherchiert, hier scheinbar nichts Problematisches entdecken können, das apabiz kontaktiert und auch hier als Rückmeldung erhalten, dass keine problematischen Bands auf dem Lineup stünden.
Überraschend ist hier erstmal die plumpe Art, mit der sich der Labelname Iron Bonehead Productions zusammengereimt wurde: Statt eines gängigen Begriffs für rechtsextreme Skinheads mit dem Zusatz Iron, wie beim Eisernen Kreuz etwa, solle der nun also Heavy Metal und den Tod als textliches Konzept repräsentieren. Aha.

Besonders irritiert jedoch die angebliche Rücksprache mit dem apabiz, da die Initiative einen guten Ruf genießt und ein umfangreiches Archiv besitzt. Deswegen erkundigte man sich dort bezüglich der erfolgten Anfrage.

Nach Auskunft des apabiz gab es im Dezember 2022 eine Anfrage vom Columbia Theater, in dem um eine Einschätzung diverser Bands, unter anderem auch der oben genannten, gebeten wurde. In der Rückmeldung wurden hier insbesondere die Bands Runespell, Cenotaphé, Volahn und Revenge problematisiert:

Diese Einschätzung wurde dem Columbia-Theater auch zur Verfügung gestellt. Von einer Einschätzung unsererseits als „unbedenklich“ kann daher keine Rede sein. Vielmehr gab das Columbia-Theater daraufhin uns gegenüber an, mit den Veranstaltern Rücksprache halten zu wollen und ggf. das Lineup zu ändern oder die Veranstaltung zu untersagen. Seitdem waren wir nicht mehr involviert und sind nun sowohl über das scheinbar unveränderte Lineup, als auch über die Aussage, wir hätten die Bands als „unbedenklich“ eingestuft, mehr als irritiert

Über den Namen der Veranstaltung sowie deren Veranstalter wurde das apabiz nach eigener Aussage im Rahmen der Anfrage nicht informiert.
Diese, doch deutlich anderslautende, Rückmeldung wurde, zusammen mit einer erneuten Erläuterung der Bedenken bezüglich des Festivals, dem Columbia Theater mitgeteilt. Die daraufhin erhaltene Antwort ist in unseren Augen eindeutig:

[Anrede]

vielen Dank für ihre wertvollen Hinweise.

 

Vor einem Jahr wurde alles schon von unserer Rechtsabteilung und dem Apabiz geprüft.

 

Im Übrigen distanzieren wir uns von jeglicher extremistischen Haltung.

 

Hochachtungsvoll

[Name]

 

COLUMBIA THEATER

Es scheint so, als sei den Verantwortlichen im Columbia Theater durchaus bekannt, welche Bands hier spielen sollen, ihnen dies aber schlicht egal. Hierfür spricht, neben der dreisten Lüge, das apabiz habe keine der Bands als problematisch eingestuft, dass auch die Vorgängerveranstaltung des Never Surrender Fest, nämlich das Nuclear Now! Fest Volume II bereits 2009 hier stattfand.

Problematisch ist diese erneute Zusammenarbeit mit den Veranstaltern gerade im Hinblick auf deren politische Gesinnung bzw. Labelaktivitäten: An dieser Stelle haben Genoss:innen aus den USA bereits einiges an Vorarbeit geleistet, so dass wir an dieser Stelle auf diese verweisen wollen und nur die wichtigsten Punkte zusammenfassen:

Schlusswort

Insgesamt bleibt also zu sagen: Die Geschäftsführung des Columbia Theaters hat keinerlei Probleme, sowohl mit rechten Akteuren zusammenzuarbeiten, als diesen auch eine Bühne zu bieten. Da sie im Vorfeld der Veranstaltung auf die Problematik der auftretenden Bands hingewiesen wurden, kann hier nicht von einem Versehen oder Unwissenheit gesprochen werden.

Gerade im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche und weltpolitische Entwicklungen, wie die in den vergangenen Monaten massiv angestiegene Anzahl antisemitischer Übergriffe, aber auch eines gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks, der sich beispielsweise in den Wahlergebnissen der Alternative für Deutschland (AfD) und Äußerungen diverser Politiker:innen anderer Parteien widerspiegelt, finden wir es unverantwortlich von einem Veranstaltungsort der Größe des Columbia Theaters, Veranstaltungen wie diesen eine Bühne zu geben.
Ein dabei mantra-artig wiederholtes Lippenbekenntnis der Distanzierung von rechtem Gedankengut gleicht einem Schlag ins Gesicht der Opfer rechter Gewalt.

Dass es von Seiten rechter Akteure nicht nur bei Texten auf einem „internationalen und friedlichen Metal-Festival“ bleibt, zeigte sich in den letzten Jahren immer wieder. So auch im Rahmen des sogenannten Neukölln-Komplex quasi direkt vor der Haustür des Columbia Theaters. Auch wenn die rechte Black-Metal-Szene nur einen relativ kleinen Anteil innerhalb der organisierten Rechten bildet, so ist sie nicht zu ignorieren oder unterschätzen. Gerade durch die verschiedenen Musiker:innen, Bands und Labels, die international tätig sind, gibt es hier zahlreiche Verknüpfungen und Kontakte innerhalb und außerhalb der Szene. Als Paradebeispiel kann Hendrik Möbus, Musiker bei der NSBM-Band Absurd, Labelbetreiber von Darker Than Black Records, zeitweise in den USA auf der Flucht und unter anderem daher eine international bestens vernetzte, zentrale Person der NSBM-Szene, herangezogen werden.

Verwundert sind wir in diesem Zusammenhang von der Dreistigkeit der Lüge, das apabiz habe hier keine Bedenken bezüglich der Bands geäußert – eine Behauptung, die sich mit einer kurzen Nachfrage umgehend widerlegen ließ.

Abschließend möchten wir uns noch für die Erläuterung des Labelnamens Iron Bonehead Productions bedanken, trotz „jahrzehntelanger Recherche in Kleinstarbeit“ hatten wir dieses Rätsel bis dato nicht lösen können.